Shared Knowledge Serie

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Teil 3: Hörkultur – Von Ohrenschulung und akustischem Qualitätssinn

(Shared Knowledge – tg)

 

Natürlich richtet sich das Folgende grundsätzlich an alle „MusikhörerInnen“ – vorrangig jedoch an "in der Ausbildung befindliche MusikerInnen": Es kommt in meinem Unterricht & Coaching meist spätestens an dem Punkt zur Sprache, an dem junge (Hobby-)MusikerInnen sich für den Weg als BerufsmusikerIn entscheiden – oder an dem „ambitionierte HobbyistInnen oder semiprofessionelle MusikerInnen“ sich näher mit dem Thema Recording auseinandersetzen: Sei es nun als „aktiv Produzierende“ oder "nur" als die "aufzunehmenden MusikerInnen“. 

Man kann guten Kaffee nur erkennen, wenn man ihn mal getrunken hat.

Das Leben ist zu kurz für schlechten Sound

Es ist in jeder Ebene gleich: Ob es um guten Kaffee, guten Wein, guten Käse, gute Pasta, gute Literatur, gute Filme u.s.w. geht: Man kann qualitativ nur beurteilen, womit man sich in einer gewissen Bandbreite näher beschäftigt hat. Hierbei geht es mir in diesem Zusammenhang nun ausnahmsweise zunächst mal mehr um die „äußere Form“, als um die „Innere Information“ (wobei dies bei näherer Betrachtung der "musik-inhaltlichen Harmonie der Frequenzen" eigentlich auch nicht ganz korrekt ist :-))

Selbstverständlich können gut klingende Produktionen "im Sinne des Songwritings" trotzdem verdammt schlechte Songs sein – und schlecht produzierte, verrauschte Musik-Produktionen, Filme etc. andererseits inhaltlich gut und künstlerisch hochwertig sein! Im Folgenden nun aber vorrangig einige Überlegungen zu den Voraussetzungen der Produktions-technischen Qualität von Musik-Aufnahmen – bzw. zu den Voraussetzungen "im Menschen" diese Qualität überhaupt erkennen zu können (Stichwort "geschultes Gehör"). Vorweg jedoch noch eine Anmerkung:

Studio-Monitore! Worum es in diesem Artikel geht... 

Der vorliegende Fachartikel beinhaltet neben Fotos aus professionellen Tonstudios bewusst mehr Fotos von "SchülerInnen-Arbeitsplätzen" (sowohl von HobbyistInnen als auch von jungen BerufsmusikerInnen): Da die Arbeitsplätze auf diesen "SchülerInnen-Fotos" meist in privaten Wohnbereichen integriert sind, sind sie ohne Frage nicht immer "akustisch perfekt eingerichtet" oder "optimal im und auf den Raumklang angepasst" – darum geht es hier auch nicht:

Es geht in diesem Artikel nicht um eine "High-End-Studiomagazin-Abhandlung über lineare Monitore und die perfekte Raum-Optimierung", sondern um erste "Hörgewohnheits-Optimierungen für aufstrebende (junge) MusikerInnen" – und um die Anregung zur (An)Schaffung einer guten (Ab)-Hör-Situation: Es geht somit um den "Ohren-Start": Um Hör-Kindergarten, Hör-Grundschule und Hör-weiterführende-Schule :-)

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Die Qual der Wahl? Monitor-Umschalter eines großen Studios – u.a. auch mit den legendären Yamaha NS 10

Hörbeginner :-)

Ich erinnere mich noch gut daran, wie mir einer meiner Lehrer vor bald 30 Jahren bezüglich meiner Recording-Aktivitäten "mit 4-Spur und Co" nahe legte, doch einmal in ein paar Studio-Monitore zu investieren: Gesagt – gekauft – und dann waren sie da: Die ersten "guten" Monitore...

Au weia: Die guuuten Lautsprecher sind kaputt!

Ok: Was heißt "gut" :-) Meine erste Monitor-Anschaffung als Jugendlicher lief ohne Frage noch auf sehr kleinem Niveau und Budget:

Meine ersten „guuuten" JBL Control 1 werden heute eher zum Test á la „und wie klingt das denn jetzt auf kleinen Lautsprechern?“ genutzt :-) Aber sie eröffneten mir damals dennoch die Tür zu völlig neuen Welten.

Zunächst allerdings beginnend – kurz nach Lieferung und Inbetriebnahme – mit der Aufregung, „dass die guuuten neuen Lautsprecher-Boxen kaputt sind“:

Denn AC/DC´s „Highway to Hell - Gitarren-Intro“ übersteuerte einen der beiden Lautsprecher "mit eindeutig nicht gewollter Verzerrung": Oh Not – große Verwirrung!

Die Lautsprecher waren natürlich nicht kaputt – das Intro übersteuert tatsächlich :-) Ich konnte das bis dahin nur auf meinen alten „schlechten Hifi-Boxen“ einfach nicht hören…

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„Ich höre jetzt Dinge, die ich nie gehört habe“

Solche Phänomene wiederholen sich heute – wenn ich meinerseits meine SchülerInnen zur Optimierung ihrer Abhör-Situationen anrege – regelmäßig: Fast immer kommt nach einigen Wochen der Satz „Ich höre nun Dinge in meiner Musik, die ich nie gehört habe...“.

Plötzlich merkt man, dass Christina Aguilera´s Song "Beautiful" voll mit Kopfhörer-Übersprechungen ist, die man mit Noisegates nur mühsam im Griff hielt (ich habe hier schon mal etwas dazu geschrieben).

Nochmal – ohne Frage: Dem künstlerischen Wert dieses Songs tut dies keinen Abbruch – und das ist sicherlich das Wichtigste: Aber dies darf natürlich keine Ausrede für "grundsätzliches Hören oder Produzieren auf schlechten Lautsprechern" sein :-)

Unsere Studio-Monitore (natürlich inklusive des gesamten Abhör-Signalweges) sind unsere "Produktions-Lupe" ! Und mehr noch:

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Musik hören auf gutem Equipment ist unabdingbare und extrem wichtige Ohrenschulung – ja: Es ist Bildung einer Hörkultur.

Die „echte“ Hifi-Anlage

In den 1970er bis 1990er Jahren gab es noch ein Phänomen, welches heute oftmals ausgestorben scheint – zumindest unter den meisten "derzeit Jüngeren": Die „Anlage“.

Wer Musik hören wollte – und das will ja eigentlich nahezu fast jede(r) – der sparte irgendwann folgerichtig auf „eine (gute) Anlage“. Oder setzte sie auf den Wunschzettel von Geburtstag, Weihnachten & Co. Ob nun tolle Einzel-Komponenten-Hifi-Anlagen oder nur die zeittypischen "Kompakt-Anlagen von Schneider & Co“ der 80er Jahre:

Meist hatten diese Anlagen Lautsprecher-Boxen mit etwas größerer Abstrahl-Fläche (im Unterschied zu manchen heutigen "Kompakt-Bluetooth-Speakern) und Receiver, deren „Loudness-Knöpfe“ von uns MusikerInnen flux ausgeschaltet wurden, um „möööglichst linear zu hören" :-) Aktuell ist es (leider) häufig eher üblich, nur noch über Handy, Laptop & Co zu hören.

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Das heißt nun nicht, dass heute alles schlechter ist!

Klar: Man kann auch feststellen, dass manche 2.1 oder 5.1 Anlage "am Laptop" heute qualitativ definitiv besser klingt als die damalige Papp-Box von Schneider & Co – aber in der Praxis bekomme ich seeehr oft  auf mein Nachfragen beim "SchülerInnen-Nachwuchs" die Rückmeldung: „Ich hör immer nur über mein Laptop…“.

Manchmal wird das Laptop dann vielleicht noch via Bluetooth auf Soundboxen wie z.B. die Bose Soundlink Mini, JBL Charge 3, Anker SoundCore 2 o.ä. erweitert; – oft aber eben nicht.

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© Foto von Louisa Bücheler

Klein (aber fein?)

Aber auch wenn eine solche "Laptop-Weiterleitung" auf einen Bluetooth-Speaker oder gar auf ein 2.1 oder 5.1 System erfolgt: Wir haben es bei all diesen Lösungen immer mit „Hifi-Systemen“ zu tun. Und so ist zum Beispiel –  im Sinne (möglichst) linearer Klang-Wiedergabe – die recht verbreitete eben genannte „Bose Soundlink Mini“ leider „hifi-typisch“ etwas zu basslastig und „in den Bässen überbetont“.

So etwas beeindruckt viele zunächst („Mann, wie kann so ein kleines Teil so einen Sound erzeugen...“): Es bleibt aber ein klangliches Ungleichgewicht, welches – in „ausschließlicher Gewöhnung an einen solchen Sound“ – für aktive MusikerInnen deutliche Ohren-Gewöhnungs-Nachteile im Gepäck hat:

Die größte Dauer-Hörgewöhnungs-Übung!

Die zweifelsohne vorhandene Alternative guter Kopfhörer lasse ich hier mal bewusst außen vor: Auch weil es mir eben nicht nur um aktives Produzieren und aktiv-konzentriertes Musikhören geht – sondern zusätzlich eben um „das tägliche Musikhören beim Aufräumen, leben & Co“: Unsere daily-used-Hörgewohnheit. Und dafür gilt:

Der Alltag ist unsere größte Dauer-Hörgewöhnungs-Übung:

Wer viel gut klingende Musik über ein neutrales gut klingendes System hört, schult sein Gehör eben genau in dieser Richtung:

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© Foto von Timo Grau

Lineare aktive Studio-Monitore

Ein Unterschied zwischen den meisten (insbesondere günstigen Consumer-) „Hifi-Systemen“ und „linearen Aktivboxen“ ist die lineare oder eben non-lineare Konzeption: Consumer-Hifi-Boxen sind meist nicht vorrangig linear konzipiert, sondern z.B. oft in Bässen und Höhen etwas überbetont und in den Mitten z.B. etwas abgesenkt. Schließlich soll alles darauf „schön klingen“: Damit sind sie aber für uns Musikschaffende eine Lupe mit zerkratzten Gläsern:

Beim Aufnehmen, Mischen und Produzieren von Musik wollen wir „das ganze Frequenz-Spektrum (möglichst) natürlich“ hören: Das kann bedeuten, dass mancher Studio-Monitor eben auf den ersten Blick „nicht so schön“ klingt (den berühmten NS 10 hat man oft die Hochtöner mit Taschentüchern zugeklebt :-)) – was aber häufig eben auch eine Gewohnheitssache ist: Wer ständig zu viel Salz ins Essen würzt, dem wird ein normal gesalzenes „5-Sterne-Gourmet-Essen“ auch nicht schmecken. Eine meiner Empfehlungen ist daher immer:

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Kauft Euch vernünftige (aktive) Studio-Monitore!

Nachfolgendes soll nun nicht grundsätzlich die Hifi-Szene dissen! Es gibt selbstverständlich hervorragende Hifi-Systeme – auch "linear konzipierte": Und ebenso gibt es natürlich auch grausig unlineare, schlechte „Studio-Monitore“. Ohne Beratung und Recherche wird es bei einer solchen Anschaffung ohnehin nicht gehen – aber kurz dazwischen gefragt:

Warum nicht passive Monitore?

Natürlich kann man sich auch passive Studio-Monitore mit zusätzlicher Endstufe anschaffen. Dabei kommt halt nur eine weitere klangliche Variante mit ins Spiel: Welche Endstufe klingt wie mit welchen Lautsprechern (plus die "verbindenden Kabel" – und deren klanglichem Einfluss). In aktiven Studio-Lautsprechern sind die Endstufen integriert, genau auf´s System angepasst – und steuern noch dazu meist getrennt Bass/Mitten/Hochtöner mit jeweils einzelnen Endstufen an.

Daher würde ich im Regelfall des hier angedachten "Einsteiger-Systems" am ehesten zu solchen aktiven Systemen raten. Aber grundsätzlich gilt natürlich: Die passive Variante geht auch – und war noch bis vor einigen Jahrzehnten schließlich auch der Standard.

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© Foto von Louisa Bücheler

Vorweg noch ein kurzer Einschub "Apropos linear"

„Linear“ bedeutet (insbesondere in der Verwendung dieses Begriffes im vorliegenden Artikel) hier immer „annähernd linear, neutral, ungefärbt, ungeschönt“ – auch das Gehör des Menschen selbst verläuft nicht linear: 

Zitat Wikipedia"Die Hörschwelle des Menschen verläuft dabei nicht linear, sondern hat zwischen der tiefsten und der höchsten Frequenz bei etwa 4 kHz den Punkt der höchsten Wahrnehmungsempfindlichkeit, jenseits dessen die Wahrnehmungsempfindlichkeit in beide Richtungen nachlässt." Zitatende.

Heiter weiter:

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© Foto von Louisa Bücheler

Also nix gegen Hifi-JüngerInnen!

Da meine Klientel aber nunmal in der Regel „aktive MusikerInnen“ sind, geht es hier vorrangig um die Aufforderung zur Anschaffung „(aktiver) Studio-Monitore“ – und nicht um die Auswahl einer hochwertigen Hifi-Anlage: Um diesbezüglich noch einmal Wikipedia zu zitieren:

"Die klanglichen Anforderungen unterscheiden sich hierbei etwas von denen des Monitorings im Tonstudio, wo ein linearer Frequenzgang die Hauptanforderung ist […] Monitorlautsprecher sind spezielle Lautsprecher für Musiker oder Tontechniker, die zu Abhörzwecken genutzt werden und daher speziellen Qualitätskriterien unterliegen. Hierzu zählt vor allem der gewünschte lineare Frequenzgang zwecks einer referenzfähigen Klangabbildung. Eine signalgetreue Schallabbildung, die für das Soundmonitoring im Tonstudio unerlässlich ist, benötigt teures Equipment: die so genannten Studiomonitore.

Ebenso nötig sind eine Optimierung (bzw. Minimierung) störender Raumresonanzen sowie ein intaktes und entsprechend geschultes Hörvermögen. Lange Zeit waren Monitore des Typs NS-10M von Yamaha in Tonstudios weit verbreitet. Diese Lautsprecher „simulierten“ die limitierten Wiedergabebedingungen, wie sie auf Seiten des Endverbrauchers zu erwarten waren, recht aussagekräftig". Zitatende.

Der Raum

Im letzten Absatz kommt nun noch ein weiterer Aspekt dazu, von dem bislang noch nicht die Rede war – die "Optimierung (bzw. Minimierung) störender Raumresonanzen": Ich möchte dazu Michael Dickreiter aus seinem "Handbuch der Tonstudiotechnik" – Band 1, Seite 26) zitieren:

„Zur akustischen Raumgestaltung gehören vor allem folgende Aufgaben: Gute Abstrahlmöglichkeit der Schallquelle, geeignete Lenkung und Verzögerung der ersten Reflektionen […] optimale Gestaltung der Nachhallzeit und ihrer Frequenzabhängigkeit einschließlich der Realisierung einer guten Diffusität des Nachhalls, d.h. gleichmäßige Verteilung der Hallenergiedichte.“ Zitatende.

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Ohne hier zu sehr in die (Raum-) Tiefe zu gehen...

Ich schrieb es ja schon in der Einleitung: "Es geht in diesem Artikel nicht um eine "High-End-Studiomagazin-Abhandlung über lineare Monitore und die perfekte Raum-Optimierung [...]": Aber wo nun die"Optimierung (bzw. Minimierung) störender Raumresonanzen" schon mal angesprochen ist...

Selbstverständlich sind neben der Qualität der Studio-Monitore noch weitere Aspekte für ein optimales Hörerlebnis und eine möglichst objektive, lineare Frequenz-Wahrnehmung wichtig. Hier nur ein paar Worte dazu (in meinem Unterricht wird dies bei Anschaffung solcher Systeme immer in Ruhe erläutert):

Die klangliche Optimierung des Raumes erfordert „Maßnahmen am Raum" – keine „eingeschliffenen PlugIns“ in der Mixing-Summe!

Hör-Position im Raum

Die Raumbeschaffenheit, wie auch die korrekte Aufstellung der Monitore (z.B. Position im Raum – u.a. gleichschenkeliges Dreieck zum bzw. mit dem Hörer, definierte Abstände zu Seitenwänden etc.) sind für bestmögliche Hörergebnisse wichtig – u.a. damit der Frequenzgang des direkten Schalls optimal verläuft. 

Denn so linear ein Lautsprecher auch klingen mag: Auch der "ihn umgebende Aufstellungs-Raum" kann einzelne Frequenzen verstärken abschwächen oder gar "verschlucken": Da können dann sowohl die Bässe überbetont "wummern" – wie auch die Mitten oder Höhen verändert wahrgenommen werden:

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Der Einfluss des Raumes erfordert Maßnahmen "am Raum"

Solche unerwünschten Frequenz-Effekte sind nicht mit einem "Equalizer in der Summe" korrigierbar (auch wenn manche dies schon mal mit "eingeschliffenen PlugIn in der Master-Summe" versuchen: Zitat "Handbuch der Tonstudiotechnik – Michael Dickreiter Band 1, Seite 212):

„Es ist nicht sinnvoll, den Frequenzgang eines Lautsprechers durch Messungen am Abhörplatz des Regieraums, also unter Einbeziehung der Raumakustik im Frequenzgang zu korrigieren, vielmehr muss in kritischen Fällen der Raum korrigiert werden. Eine Korrektur des Lautsprecherfrequenzgangs würde nämlich zugleich den vom Raum unabhängigen Freifeldfrequenzgang erfassen, was unerwünscht ist.“ (Zitatende).

Also muss man schon an den Raum selber ran: Welche Oberflächen, Wandabstände etc. beeinflussen das Musiksignal – und welche negativen Auswirkungen (Kammfilter-Effekte, Phasen-Auslöschungen etc.) kann dies gegebenenfalls nach sich ziehen?

Bezüglich solcher "Optimierungen des Raumklangs" helfe ich meinen SchülerInnen regelmäßig beratend weiter (Anschaffung oder Selbstbau von Akustik-GobosSchall-Absorbern etc.): Da man über dieses Thema aber eigenständige Fachartikel-Serien schreiben könnte (was andere bereits getan haben) sei dies hier nur am Rande erwähnt.

Auch ist – aufgrund der schon erwähnten Tatsache, dass "SchülerInnen-Arbeitsplätze" oft in private Wohnbereiche eingebunden sind und somit akustisch einfach meist nicht optimal einzurichten sind – dies besagter Weise nicht der Sinn dieses Artikels. Also weiter:

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© Foto von Timo Grau

Symmetrie

Ähnlich wie mit der "Frequenz-Korrektur" verhält es sich auch mit Lautstärken und Abständen der beiden Monitore zur Hörposition – und der sogenannten Phantomschallquellen-Mitte. Auch hierzu möchte ich nochmal den "Klassiker" – Michael Dickreiters "Handbuch der Tonstudiotechnik – Band 1, diesmal Seite: 215" zitieren:

„Die Abstände beider Lautsprecher vom Hörer müssen möglichst gleich sein; schon geringe Unterschiede verschieben die Hörereignisorte der Phantomschallquellen auf der Stereobasis […] Es ist nicht zulässig, etwas ungleiche Lautsprecherstände durch eine entsprechende Pegeldifferenz beider Kanäle zu kompensieren, da sonst zwischen den Lautsprechersignalen Laufzeitdifferenzen geschaffen würden, die die Hörereignisorte verschieben. Die Lautsprecher werden am besten so aufgestellt oder angebracht, daß die Mittel-Hochton-Systeme sich ungefähr in Kopfhöhe befinden.

Wenn sie in Ausnahmefällen höher angebracht sein müssen, sollte man die Lautsprecher so neigen, daß die Achsen dieser Systeme auf den Kopf des Toningenieurs gerichtet sind. Auch in der waagerechten Ebene sollten die Lautsprecher so ausgerichtet sein, daß ihre Mittelsenkrechten sich an dem angegebenen Ort kreuzen […] Die Lautsprecher sollten so aufgestellt sein, daß die einzelnen Lautsprechersysteme – zumindest aber die Mittel- und Hochtonsysteme – symmetrisch zur Symmetrieachse der Hörfläche angeordnet sind.“ Zitatende.

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Genug zum Stichwort Raumakustik

Der Akustikbau und die "optimierte Raumakustik" professioneller Studios wird nicht selten daher teurer als die darin aufgestellten Monitore. Aber lassen wir nach diesem kurzen Ausflug in die "Raumakustik" diese Aspekte hier erstmal beiseite und kehren zurück zu den "reinen Studio-Monitoren", da insbesondere SchülerInnen (wie weiter oben schon erwähnt) selten optimierte Räume für ihre Musik-Produktionen haben – sondern ihre "Musik-Ecke" zunächst fast immer in normalen Wohnräumen, Schlafzimmern etc. einrichten. Wie sieht es denn mit den Anschaffungskosten für Studio-Monitore aus?

Das ganze Geld – mit Quatsch verdient…

Zitat Helge Schneider im Song „Gartenzaun“

Das wird aber sicher teuer

Mitunter ja – nach oben gibt es bekanntlich keine Grenze: Das bedeutet aber für EinsteigerInnen dennoch nicht direkt einen Invest von 6000.- oder mehr pro Seite:

Man bekommt für SchülerInnen-Zwecke schon relativ passabel klingende Einstiegs-Monitore im Fenster von 200 - 600 Euro das Paar: Klar – das sind dann besagter Weise nicht Oberliga-Geräte, sondern zweifelsohne „erste Einsteiger-Systeme“ – aber immer schon deutlich besser als schlechte Laptop- oder Handy-Lautsprecher!

Wirklich ausnahmslos alle, die diese Anschaffung tätigten, haben mir später die Sinnhaftigkeit bestätigt! In einigen Fällen besonders förderungswürdiger SchülerInnen habe ich sogar langjährige Dauerleihgaben aus meinem persönlichem Equipment zur Verfügung gestellt – einfach weil dieser Aspekt so wichtig ist! Es sind mittlerweile eigentlich ständig zwei bis drei Monitor-Pärchen von mir unterwegs :-) 

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© Foto von Louisa Bücheler

Weiter: Wieso, weshalb, warum? Wer nicht hört bleibt dumm.

Wer sich z.B. eine „Bass-Überbetonung“ mit ständigem Reindrehen der Bässe (oder eben aufgrund schlechter Hörsituation / Raumaufstellung / Equipment) angewöhnt, der / die wird sehr wahrscheinlich – so dann erstmalig „Musik produziert“ wird – mit eben diesem „akustischen Maßstab“ los mischen: Er bzw. sie wird also "fett Salz ins Essen hauen":

Dann macht man die Drumloops erst mal schön fett bassig… und dann natürlich den Bass selbst… und natürlich auch die Gitarren… nicht zu vergessen die fetten Pad-Sounds… Am Ende kommt dann eine völlig überfrachtete Klang-Bass-Matsche dabei raus (nein – da hilft auch der massive Einsatz von schlechten Summen-Kompressoren nix :-) Et liiiiegt schliiiicht an den Ooohren). Eine Gewöhnung an ein (möglichst) lineares Klangbild ist also für die eigene Produzententätigkeit sehr dienlich – ja: Unumgänglich.

Und wenn man keine Musik produzieren will?

Ja – was ist, wenn ich gar keine Musik produziere, sondern reiner Musikschaffender bzw. reine Musikschaffende bin? Denn schließlich sind nicht alle MusikerInnen ja automatisch auch ProduzentInnen und KomponistInnen (obschon dies in einem „gewissen Rahmen“ fast immer ein wenig der Fall ist – allein schon beim Ideen skizzieren etc.).

Wofür soll ich also etwas schulen, wenn es doch „professionelle ProduzentInnen und TontechnikerInnen" gibt, deren Job genau dies ist?

Da kann man doch ein entsprechendes Studio mit professionellen TontechnikerInnen buchen – und dies "machen lassen". Grundsätzlich stimmt das – aber nur oberflächlich betrachtet, denn:

Einmal abgesehen von „Damit Du lernst zu hören, was „wie klingt“ – und es in einer ganz anderen Dimension von Musik-Qualitäts-Wahrnehmung erleben kannst":

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© Foto von Lisa Schrewentigges

Das grüne Bild! Welches grüne Bild? Das ist doch rot...

Wenn der Maler ein grünes Bild malte – und man es nachher mit rotfärbender (Bass)Brille ansieht, wird man selbstverständlich ein Bild sehen. Und vielleicht sogar tiiief beglückt davon sein. Aber eines wird man ganz sicher nicht: Sehen, was der Maler wirklich malte!

Hören, was wirklich produziert wurde!

Alle nonlinearen, subjektiv-manipulierten „Sender- und Empfänger-Systeme“ ähneln dem Versuch, „mit einem schlechten, grün-stichigen Computer-Monitor das Color Grading des neuesten Videoclips zu beurteilen“. Nu ja: Beschäftigen kann man sich mit sowas natürlich durchaus… 

Also nochmal: Warum also sonst noch lineares Hören schulen? Damit man sich den professionellen ProduzentInnen und TontechnikerInnen (der weiter oben angesprochenen "beauftragten Studiobuchung") überhaupt mitteilen kann! Und sicher auch, um diese (zumindest annähernd) in ihrem Tun beurteilen zu können!

Man kann so mit der Zeit im zunehmenden Maße die eigene klangliche Arbeit – wie auch die anderer besser einschätzen: Auch wenn professionelle ProduzentInnen sinnhafter Weise dann vielleicht ohrentechnisch immer noch ´ne ganze Ecke fitter sind.

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© Foto von Lisa Schrewentigges

Kein Tontechniker konnte bislang einen Hit verhindern

Die Schattenseite von "Gutes erkennen"

Klar. Der „Nachteil“ all dieser Ohrenschulung ist: Wer einmal Qualität erkennt, dem begegnet vieles, was ihm folgerichtig „nicht mehr so gut gefällt“ – weil eben auch viel Käse in der Welt unterwegs ist :-)

Es ist zwar eine weitere wichtige Stufe (!!!) in der musikalisch-künstlerischen Entwicklung, „gute Songs“ und „gute Kunst“ auch bei "schlechter technischer und handwerklicher Umsetzung“ erkennen und genießen zu können! Aber wie ich an anderer Stelle schrieb: „[...] im günstigsten Falle sollte meiner Ansicht nach beides zusammen kommen“.

Dennoch bleibt es wahr und richtig: „Kein Tontechniker konnte bislang einen Hit verhindern“ :-) Das zeigte ja auch das weiter oben erwähnte Beispiel vom Welthit "Beautiful". Hingegen gibt es aber leider eben auch Unmengen an Mist, der tontechnisch und inhaltlich einfach unterirdisch ist.

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Also etwa weiter schlechten Kaffee saufen?

Ich möchte ein Beispiel aus der "normalen Alltagswelt" wählen: „Hörenden Menschen“ muss einfach die unfassbar grottige Qualität mancher Mobilfunk- oder Voice-over-IP-Verbindungen auffallen: Baaah!!! Ich habe manchmal das Gefühl, wieder in die ersten Jahre der Telefonie des vergangenen Jahrhunderts zurückversetzt zu sein (obschon es da wahrscheinlich sogar noch besser klang). Was für eine Ohrenseuche! Well: Soviel zu "Kann man mit dem Telefon denn auch telefonieren?" Wer das Gute erkennt, dem fällt auch das Minderwertige mehr auf.

Dies mag dann natürlich auch dazu führen, dass der „mit gut schmeckenden Kaffee Verseuchte“ nur schwer zum Genuss minderwertigen Kaffee´s zurück finden kann: Nun – so ist das mit Kultur-Bildung eben: Aber sollen wir „blind und taub“ bleiben, nur um weiter billigen Mist zu saufen?

In diesem Sinne: Die Welt ist Klang. Ohren auf und ran :-)

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Die Artikel dieser Serie in der Übersicht: