96kHz-Serie "Kleines Gesangs-ABC für ProduzentInnen"

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Teil 6: Pausen! Von Ohren- und Stimmpausen rechts und links des Weges

(Artikelserie aus dem 96kHz.de-Online-Magazin 2009-2010)


Das Ohr ist mit circa 90 Prozent an der Energiezufuhr zur Hirnrinde beteiligt. Das verdeutlicht, wie viel “Input” wir über das Hören bekommen. Regelmäßige (Ohren-) Pausen sind daher wichtig! Stille! Einfach mal bei der Autofahrt oder beim “Frühstücken im Studioaufenthaltsraum” den aktuellen Mix oder das Radio auslassen. Musik entsteht aus der Stille – und lebt von ihr (auch wenn in GEMA-Anmeldebögen gefordert wird: “Angabe der Gesamtlänge aller wiedergegebenen Werke – Musik inkl. Sprache, jedoch ohne Pausen – in Minuten und Sekunden…” :-))

Ich hörte, dass Sie sehr viel Zeit mit der Arbeit in Ihrem Garten verbringen – und nur hin und wieder ein Buch veröffentlichen. Wäre es nicht wichtiger, mehr Bücher zu schreiben, statt soviel Zeit zwischen Ihren Kräutern zu verbringen?

Leserbrief an einen Zen-Meister

Wenn ich nicht im Garten arbeite, kann ich keine Bücher schreiben.

Antwort des Zen-Meisters

Besser, schneller, weiter?

Es gilt Pausen einzuplanen – im Kleinen wie im Großen! Der Weltbeste Marathonläufer kann mit der „Weltbesten Lauftechnik“ vielleicht 10 km weiter als der zweitbeste Marathonläufer laufen – aber keine 500 km! Wie gut auch immer die jeweilige (Gesangs-)Technik ist:

Es gibt immer physiologische Grenzen. Tägliche „kleine Pausen“ mit Entspannungsübungen, Gymnastik, Sport, Meditation und vor allem auch mal „gar nichts machen und in den Himmel gucken“ (wir sind Musiker – darin steckt das Wort Muse), sind ebenso wichtig, wie regelmäßige „mittlere Auszeiten“ – beispielsweise mal ein komplett freies Wochenende.

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Urlaube sollten als „längere Pausen“ einem viel arbeitenden Menschen als notwendiger Gegenpol und Erhalt seiner professionellen Qualität selbstverständlich sein. Der Blick „rechts und links des Weges“ wird gerade in professionellen Herzenswunschberufen (deren Tätigkeit ja „die Lieblingsbeschäftigung des jeweiligen Menschen“ ist) häufig vergessen: 

Die Kehrseite der Berufung

Schließlich macht der „Job“ ungeheureren Spaß (hier lauert bereits das „Ungeheuer“ zwischen „Job & Spaß“) und lässt noch dazu durch das meist freiberufliche, selbstständige Arbeiten (selbst & ständig) die Grenzen zwischen Job und Privat verschwimmen. Eine Ableitung von dem Wort „berufen“ kommt jedoch von „be-rufen und be-sprochen sein“ – und ist somit „ver-flucht nah“ am Fluch jenseits des „Segens der Berufung“: Der anderen Seite der Medaille.

Ich halte es daher für überlebenswichtig (beruflich wie menschlich), eine Waage zwischen „Aktiv und Passiv“ – sowie zwischen „Innen und Außen“ anzustreben. Insbesondere in meiner Arbeit als Coach mit Künstlerinnen und Künstlern – aber auch in meiner eigenen Arbeit als Sänger und Produzent – ist dies ein äußerst wichtiger Aspekt und kein leeres, pseudoesoterisches Gerede:

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Sollbruchstelle im Auge behalten

Wenn die innere Entwicklung eines „Stars“ nicht mit seiner äußeren Entwicklung in der Business- Welt Schritt hält, so wird aus ihm vielleicht durchaus ein vermeintlich „perfekt funktionierender, berühmter Sänger“ (wenn auch leider meist nicht dauerhaft stabil); seine Lebensfreude und innere Ausgeglichenheit – sein LebensSINN – wird jedoch der Tragik eines Michael Jackson, einer Britney Spears oder anderer „weltberühmter und hervorragender KünstlerInnen mit ähnlicher innerer Entwicklung“ in nichts nachstehen.

Von dieser „Lebens-Makrosicht“ nun aber wieder zurück zur „Tages- Mikrosicht“:

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Pausen

Insbesondere beim Aufnehmen von Gesangsstimmen, sollten regelmäßige Pausen gemacht werden (in denen man sich dann wie in den Vorartikeln beschrieben verhält). Vermeiden Sie also achtstündige Marathonsessions und befreien Sie sich und Ihre KünstlerInnen, so oft es Ihnen möglich ist, aus dem leider meist üblichen „Business-Gehetze“:

Ich hörte unlängst einen Regisseur eines bekannten Privat-Fernseh-Senders verärgert seinen Filmcutter anmotzen: „Ich sagte nicht gut ...ich sagte bis morgen! Denken Sie dran, dass Sie für die Friseuse aus Wuppertal schneiden!“ Diese Mentalität greift leider immer mehr um sich – und lässt sich fast immer schlicht auf „mehr Geld verdienen“ herunterbrechen!

Immer mit der Ruhe

Nehmen Sie sich Zeit – und liefern Sie langfristig gute Qualität!

Und behalten Sie auf diese Weise „nebenbei“ Spaß an Ihrer Tätigkeit – und Ihrem Leben.

„Was nützt es, wenn Du die Welt gewinnst, wenn Du an Dir selber Schaden nimmst?“ – wenn ich mich recht entsinne, stand dies bereits in der Bibel oder stammt zumindest aus diesem „Umfeld unserer inneren Kulturgeschichte“...

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Weniger und öfter

Die Gesangspädagogin Franziska Martienssen-Lohmann sprach bezüglich der täglichen Übedauer von SängerInnen einmal von „fünf Mal zwanzig Minuten“. Wie gesagt: Es ging dort ums Üben – und nicht ums abendliche Konzerte singen. Uns allen ist klar: Mit fünf mal zwanzig Minuten wären weder das Publikum zufrieden noch ihre Studio-Produktion im Kasten. Diese Anweisung zeigt jedoch:

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Lieber kleinere Abschnitte und mehrere Pausen, als besagter „Acht-Stunden-Aufnahmemarathon bis die Dame heiser ist“. Um mit Guiseppe Aprile zu schließen: „Man singe wenig auf einmal, aber oft!“ Und ich möchte noch hinzufügen: „Und dies bitte nach vorangegangenem Warmup“ – sprich: „Gut eingesungen!“ In diesem Sinne: Weiter gehts nach „zweiwöchiger Pause“ mit dem Thema „Einsingen und Warmup für SängerInnen“ ;-) (tg)

Info zu 96kHz:

Seit 2015 ist die Website www.96kHz.de offline.

Die hier archivierte Vocalcoaching-Serie 
war von 2009 bis Anfang 2015 im Onlinemagazin auf 96kHz.de zu lesen.
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